Liebe muss nicht wehtun!
Wovon reden wir genau und wie konnte es soweit kommen?
Gewalt gegen Frauen hat viele Formen. Am 19. November 2024 haben Bundeskriminalamt, Bundesfamilien- und Bundesinnenministerium erstmals ein differenziertes Lagebild zur „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ vorgestellt. Dabei werden verschiedenen Formen der Gewalt gegen Frauen unterschieden. Das Ergebnis ist erschreckend und bestätigt uns als Soroptimistinnen in unserem Anspruch: Keine Gewalt gegen Frauen!"
Hier die wichtigsten Zahlen:
Betroffen macht uns als Soroptimistinnen auch die zunehmende Gewalt gegen junge Frauen. Neuen Untersuchungen zufolge beginnt die Gewalt gegen Frauen und Mädchen schon im Jugendalter, in den ersten festen Beziehungen. Dieser Tatsache haben wir unsere Kampagne "Liebe muss nicht wehtun!" gewidmet. Lesen Sie hier die Details:
Eine WHO-Studie aus dem Jahr 2024 dokumentiert: Weltweit leiden 24 Prozent der Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren unter körperlicher oder sexueller Gewalt in ihren Beziehungen. Auch in Mitteleuropa sind 10 Prozent der Mädchen zwischen 15 und 19 von Gewalt in ihren Beziehungen betroffen! Die WHO-Studie heißt: „Intimate partner violence against adolescent girls: regional and national prevalence estimates and associated country-level factors“.
Quelle: Veröffentlicht wurden die WHO-Studienergebnisse in der Fachzeitschrift „The Lancet Child & Adolescent“: https://www.thelancet.com/journals/lanchi/article/PIIS2352-4642(24)00145-7/fulltext
Und hier als pdf: https://www.thelancet.com/action/showPdf?pii=S2352-4642%2824%2900145-7
Laut der Umfrage zum Spannungsfeld Männlichkeit von Plan international finden es 33 Prozent der junge Männer zwischen 18 und 35 Jahren in Deutschland okay, wenn ihnen im Streit mit der Partnerin die Hand ausrutscht. 34 Prozent der Männer zwischen 18 und 35 Jahren in Deutschland waren schon einmal handgreiflich ihrer Partnerin gegenüber.
Auch sonst sehen sich viele junge Männer den Frauen überlegen und halten es für ihr gute Recht, die Partnerschaft zu dominieren. Laut Umfrage finden es 49 Prozent wichtig, in der Partnerschaft das letzte Wort bei Entscheidungen zu haben. Immerhin 39 Prozent wollen, dass die Partnerin ihre eigenen Ansprüche zurückstellt und den Männern den Rücken freihält. Auch alte Rollenbilder wirken fort: 52 Prozent der befragten jungen Männer sehen sich für das Familieneinkommen zuständig und wollen, dass die Partnerin die Hausarbeit erledigt. Nur 41 Prozent würden länger als ein paar Wochen Elternzeit nehmen – 59 Prozent also nicht.
Quelle: „Spannungsfeld Männlichkeit – So ticken junge Männer zwischen 18 und 35 Jahren in Deutschland“. Dabei kamen die obigen Ergebnisse heraus. https://www.plan.de/presse/umfragen-und-berichte/spannungsfeld-maennlichkeit.html Die Umfrage untermauert das geänderte Bild von Beziehungen junger Menschen zueinander.
Eine britische Studie aus dem Jahr 2022 bestätigt einen Zusammenhang zwischen Pornografie-Konsum bei Jugendlichen und Gewalt. Demnach neigen häufige Nutzer und Nutzerinnen von Pornografie zu aggressiven sexuellen Handlungen. Dabei ist fast die Hälfte, nämlich 47 Prozent der häufigen Konsumenten der Ansicht, dass Mädchen Gewalt als Teil von Sex „erwarten“.
Quellen: Pornografie-Konsum und Neigung zu sexueller Gewalt bei Jugendlichen
Die britische Studie verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Pornografie-Konsum von Jugendlichen und Gewalt: https://www.childrenscommissioner.gov.uk/resource/a-lot-of-it-is-actually-just-abuse-young-people-and-pornography/
https://www.praeventionstag.de/nano.cms/news/details/7388
Analog dazu haben die Universitäten Hohenheim und Münster geforscht zum Thema Pornografie im Internet: Kinder sehen früh und ungewollt Hardcore-Filme. Die Unis Hohenheim und Münster befragten dazu 2017 repräsentativ 1048 Kinder und Jugendliche nach Begleitumständen und Gefühlen beim Erstkontakt. Erschreckend: Zum ersten Mal sehen Kinder Pornografie heute im Alter von durchschnittlich zwölf Jahren. Und rund 50 Prozent sind ungewollte Kontakte. Mehr dazu hier:
https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=9182
Die WHO bezeichnet Gewalt als zentrales Risko für die Gesundheit von Frauen und Kindern. Interessant und aufrüttelnd ist in diesem Zusammenhang auch die Untersuchung des Robert-Koch-Instituts (RKI) aus dem Jahr 2020 zur gesundheitlichen Lage der Frauen in Deutschland. Die jährlichen Kosten infolge von Gewalt gegen Frauen belaufen sich demnach auf 3,8 Milliarden Euro. Das sind tatsächliche Ausgaben für Güter und Dienstleistungen als direkte Folge der Gewalt, Gesundheit, medizinische Erstversorgung, Polizeieinsatz, Beratung. Die Kosten der lebenslänglichen Beeinträchtigung können laut RKI 18 Milliarden Euro erreichen.
Quelle: Kapitel 8 - Gesundheitliche Auswirkungen von Gewalt gegen Frauen: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsB/frauenbericht/08_Gewalt_gegen_Frauen.pdf?__blob=publicationFile
Wir Soroptimistinnen fühlen uns in unserer täglichen Arbeit Frauen und besonders jungen Frauen gegenüber verpflichtet. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen!
Deshalb rufen wir:
Frauen, helft Euren Töchtern, Schwestern, Freundinnen, Nachbarinnen! Eine von zehn jungen Frauen mitten unter uns ist von Gewalt in ihrer Beziehung betroffen.
Achtet aufeinander! Sprecht miteinander! Informiert Euch!
Mädchen und junge Frauen: Ihr müsst Gewalt in Eurer Beziehung nicht akzeptieren! Sie ist nicht normal! Liebe muss nicht weh tun! Sucht Euch Hilfe, sprecht mit Menschen Eures Vertrauens. Unterstützung bekommt ihr auch über das Hilfetelefon unter 116 016!
Orange Days 2023:
Mit Buswerbung die Aufmerksamkeit erhöhen
„Das sind Zahlen, die aufrütteln“, sagt Sibylle van de Ree, Präsidentin des Clubs Soroptimist International Seeheim-Jugenheim. „Unser Ziel ist deshalb, das Hilfetelefon als niederschwelliges Angebot für Betroffene bekannter zu machen und über das Problem der zunehmenden Gewalt speziell gegen Frauen aufmerksam zu machen.“
Hierfür setzt der Club auf die Unterstützung der Mobilitätsanbieterin HEAG mobilo: Vier Wochen lang ist das Thema und das Hilfetelefon auf und in Bussen und Bahnen mit Busbeklebung, Fahrgastfernsehen und Plakaten auf das Thema präsent. Gezeigt wird ein Plakat, entworfen von einer Soroptimistin aus Aalen, das sich nicht nur gegen Gewalt wendet, sondern gleichzeitig auch auf das „Hilfetelefon“ aufmerksam macht. Unter der bundesweiten Telefonnummer 116016 bekommen Frauen in Not Unterstützung, rund um die Uhr, kostenlos, anonym und in 18 Sprachen. Das „Hilfetelefon“ wird vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben getragen.
Sibylle van de Ree, Präsidentin des Clubs Soroptimist International Seeheim-Jugenheim, freut sich als Initiatorin der Kooperation über die gelungene Zusammenarbeit mit der HEAG mobilo: „Gewaltprävention ist unser gemeinsames Anliegen. Wir sind sehr froh, dass uns die HEAG mobilo bei dieser Aktion uneingeschränkt unterstützt. So kommt die Botschaft garantiert bei den Betroffenen an.“
Da die Notwendigkeit nach Gewaltprävention auch die Mitarbeitenden der HEAG mobilo betrifft, stößt die Idee der Soroptimistinnen auf offene Ohren:
„Schluss mit der Gewalt und mehr Respekt – dies fordern wir nicht nur mit der Initiative „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“, mit der wir seit April gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund darauf hinweisen, dass unsere Mitarbeitenden keine „Blitzableiter“ sind. Auch ein wertschätzendes Miteinander unter den Fahrgästen und ein respektvoller und gewaltfreier Umgang gegenüber Frauen ist uns ein besonderes Anliegen“, sagt Arne Rath, Geschäftsführer der HEAG mobilo.
Bundesweit über 300 Kampagnen zu „Keine Gewalt gegen Frauen“
Die SI-Clubs setzen sich deutschlandweit für den Schutz von Frauen, insbesondere im häuslichen Umfeld, ein. Bei der Aktion mit dabei ist auch der SI-Club Darmstadt. Außerdem kooperiert der SI-Club Seeheim-Jugenheim mit elf benachbarten SI-Clubs in der Metropolregion Rhein-Neckar, wo die Plakataktion vom dortigen Verkehrsverbund (VRN) und bis nach Kaiserslautern ebenfalls unterstützt wird. Alle SI-Clubs gehören zum weltweiten Netzwerk von Soroptimist International. Bereits 2021 und 2022 haben sich zahlreiche deutschen Clubs an den Orange Days beteiligt. Trotz Corona-Einschränkungen initiierten die Soroptmistinnen bundesweit über 300 Kampagnen zum Thema „Menschenrechte/Keine Gewalt gegen Frauen“ und generierten dabei Spenden in Höhe von 940.000 Euro.
Bildtext:
Von Mitte November 2023 bis Mitte Januar 2024 tourt dieser Bus der HEAG mobilo durch Darmstadt, beklebt mit dem Aufruf „Keine Gewalt gegen Frauen“. Initiiert hat die Aktion anlässlich der Orange Days der Club Soroptimist International Seeheim-Jugenheim. Im Bild Sibylle van de Ree (links) und Christine Reckmann zusammen mit dem Geschäftsführer der HEAG mobilo Arne Rath.
Foto: Eva Reinhold-Postina, SI Seeheim-Jugenheim
Orange Days 2022:
Stoppt die Gewalt gegen Frauen!
Weltweit fordern Soroptimistinnen jedes Jahr an den Orange Days zwischen dem 25.11. und 10.12. das Ende der Gewalt gegen Frauen! Auch der Soroptimist Club Seeheim-Jugenheim schließt sich seit Jahren den von den UN proklamierten Orange Days an und informierte auch diesmal an seinem Stand am 26.11.22 auf dem Seeheim Marktplatz über das Thema Gewalt gegen Frauen. Im Vorfeld hatte der Club wieder Geschäftsleute vor Ort angesprochen und 40 von ihnen dafür gewonnen, Informationsmaterial auszulegen und sich den Orange Days anzuschließen. Außerdem hatte der Club 30 orangefarbene Plakate in Seeheim und Jugenheim aufgehängt sowie eine große Flagge vor dem Rathaus gehisst.
Etwas mysteriös erschien vielen Marktbesuchern zunächst die Spur orangefarbener Schuhe, die sich am Samstag, dem 26.11., über den Marktplatz zog. Die Schuhe, hier vor Ort angesprüht von Schülern des Schuldorfs, sind ein international verwendetes Symbol der Orange Days und erinnern an die innerhalb eines Jahres durch Gewalt des (Ex-)Partners getöteten Frauen. Allein im vergangenen Jahr kam in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau durch ihren (Ex-)Partner ums Leben. In diesem Jahr informieren die Soroptimistinnen europaweit über die Anzeichen einer toxischen Beziehung. Unter dem Motto „Read the Signs“ (Erkenne die Zeichen) hatten die Soroptimistinnen Botschaften in die orangefarbenen Schuhe gesteckt, worauf Frauen in Partnerschaften achten sollten. Denn nicht jede Beziehung, die mit Gewalt endet, beginnt auch mit offener Gewalt. Oft sind es kleine Dinge, die sich einschleichen und schließlich in Gewalt münden.
Bereits zum zweiten Mal hatte der SI-Club Seeheim-Jugenheim unter den bundesdeutschen SI-Club orangefarbene Warnwesten verkauft für die Orange Days. Allein in diesem Jahr wurden 800 Westen verkauft. Viele SI-Clubs demonstrierten darin gegen Gewalt an Frauen. Der Erlös des Westenverkaufs kommt in diesem Jahr unter anderem dem Dieburger Verein Horizont entgegen, der das Frauenwohnprojekt Notwaende betreibt. Dort finden Frauen Schutz, die von Gewalt und Obdachlosigkeit betroffen sind. Am 26.11. vormittags übergab SI Seeheim-Jugenheim einen Scheck über 500 Euro an die Vertreterin des Projekts Notwaende.
Die Kampagne für die Orange Days 2022 heißt „Read the Signs“ und wurde von SI Europe (SIE) ausgerufen. Die europäischen SI-Clubs haben es sich innerhalb der 16 Orange Days zur Aufgabe gemacht, auf die Zeichen toxischer Beziehungen hinzuweisen, denn Gewalt beginnt in der Regel nicht mit Schlägen, sondern vorher und subtiler. Die Botschaften der Kampagne 2022 lauten entsprechend:
Technologischer Missbrauch - Dein Partner will Dich und Deine Online-Aktivitäten ausspionieren und besteht darauf, Deine Passwörter zu kennen? Wehre Dich gegen seine Versuche, Macht über Dich auszuüben und Dich kontrollieren zu wollen! Du hast ein Recht auf Privatsphäre! Falls Du in Deiner Beziehung Zeichen von Missbrauch im digitalen Bereich beobachtest, hol Dir Hilfe von jemandem, dem Du vertraust.
Soziale Isolation - Dein Partner will Dich von Deinen Freunden und Deiner Familie isolieren? Als früher Versuch, Dich psychisch zu kontrollieren, ist soziale Isolation bereits eine Form häuslicher Gewalt. Distanzier Dich nicht von Deinen Lieblingsmenschen!
Finanzkontrolle - Dein Partner kontrolliert, wofür Du Dein Geld ausgibst und verfügt über Dein Bankkonto? Du bist eine selbständige Frau, die ihr eigenes Geld verdient - lass Dich nicht zur Marionette Deines Partners machen. Hol Dir sofort Hilfe, um die Kontrolle über Deine Finanzen zurückzugewinnen.
Verlust des Selbstwertgefühls - Nimmst Du die destruktive Kritik Deines Partners an Dir ernst, verlierst Du Stück für Stück Dein Selbstvertrauen und wirst selbst zunehmend kritisch mit Dir. Toxische Beziehungen zeichnen sich nicht immer durch körperliche Gewalt aus. Bloßstellung, Erniedrigung und Schuldzuweisungen sind Zeichen psychischer Gewalt und nicht weniger schädlich für Deine Selbstachtung. Vertrau Dich jemandem an und finde wieder zu Deiner Stärke!
Demütigung/Humiliation - Blamiert Dich Dein Partner, indem er private Details ausposaunt oder sich über Deine Unzulänglichkeiten amüsiert? Demütigung, Zurückweisung und ständige Kritik an Dir sind eine Strategie, Deine Selbstachtung zu untergraben und können sich gegen Deine Äußerlichkeiten, Deinen Intellekt oder Dein Verhalten richten. Beeinflussung dieser Art kann Jede von uns treffen. Schütze Dich und hol Dir so früh wie möglich Hilfe!
Physischer Missbrauch und Misshandlung - Das Verhalten Deines Partners ist unberechenbar und Du hast Angst, wenn er wütend wird oder getrunken hat? Aggressives Verhalten gehört zu körperlichem Missbrauch und bezeichnet eine Form häuslicher Gewalt. Was Dir passiert, ist nicht Deine Schuld - Du bist nicht allein! Helfende Hände sind für Dich da.
Sexueller Missbrauch - Mit jemandem eine Partnerschaft einzugehen, bedeutet keine stillschweigende Übereinkunft. Verwehrt Dein Partner Dir den Zugang zu Verhütungsmitteln oder möchte ohne Dein Einverständnis mit Dir schlafen, liegt sexueller Missbrauch vor. Du musst nicht dulden, von einem Mann zum Objekt degradiert zu werden. Dein Körper gehört Dir! Hol Dir Hilfe von einem Arzt oder einer Ärztin oder wende Dich an eine Hilfseinrichtung.